Am
9. April 2005 um Punkt 11 Uhr betrat eine Gruppe von 20 Personen die Oberhausener
Innenstadt.
Jede Person ist in einen pinken Overall gekleidet und mit Putzutensilien
ausgestattet. Dazu mit Frühlingsduftwasser.
Die Personen verteilen sich
auf der Markt- und Elsässerstraße. Jede ging an einen Ort, den sie
blitzeblank putzte. Eine schrubbte einzelne Granitsteine auf dem Boden, eine andere
polierte Straßenschilder blitzeblank, eine dritte putzte eine Hausfassade,
einige fegten, schrubbten Hauseingänge, reinigten Sitzbänke
In ihrer Umgebung verbreitet sich ein frischer Frühlingsduft. |
Ein
Passant wurde beinahe putzteufelswild: "Das kommt dabei raus, wenn der Staat
zuviel Geld für Kunst hat." Wenn der Staat Geld hätte, wären
Markt- und Elsässer Straße heute blitzeblanke. Dann wären die
Spuren, die die Putz-Performance der Oberhausener Künstlerin Edda Gerusel
als Liebesimpuls in die Innenstadt setzte, noch deutlich prägnanter.
Samstag, kurz vor Elf. Sternförmig wälzt sich eine 20-köpfige
Kolonne auf den Friedensplatz. Overall in Pink, teils flower power im Haar, so
ergießt sich Frau und Mann auf die Fußgängerzone, beginnt zu
schrubben, zu fegen zwischen Lichtburg Filmpalast, Sparkassengebäude und
Altmarkt.
Künstler sind es auch aus Nachbarstädten, "normale"
Menschen ebenfalls. Sie schrubben Gullydeckel und Granitsteine, rücken den
Spuren Kaugummi-spuckender Kids zu Leibe, bereiten dem Dreck den Kehrhaus, versprühten
frische Frühlingsdüfte.
Die Passanten sind die wahren Artisten,
denen in Alexander Kluges Zirkuskuppel gleich - ratlos. "Macht ihr hier einen
Ein-Euro-Job?" Die Nähe zum Infostand einer Wahlgemeinschaft, deren
Protagonist das Wahlkampfplakat frech ins Bild zu posieren trachtet, lässt
dies vermuten. Aber Edda Gerusel, Regisseurin dieser durchaus nicht nur bildend
künstlerischen, sondern auch zauberhaft theatralischen Performance, fegt
jedweden politischen Hintergrund weg: "Das ist überhaupt nicht als Kritik
daran zu verstehen, dass die Stadt angeblich nicht saubergehalten wird. Wir wollen
nur einen Liebesimpuls in die Stadt tragen."
Die Akteure sind beeindruckt:
"Als ein Granitstein wieder blütenweißwar, wollte eine Frau wissen,
welches Reinigungsmittel ich verwende, ob ich für Putzmittel werbe."
Am Altmarkt greifen zwei Jungen spontan zu Besen und fegen mit, ein anderer meint,
"ob ich mich nicht schäme, dass ich hier stehe und putze". Zwei
ältere Frauen kontern sofort: "Unsere Jugend, typisch dass sie solche
Fragen stellt." - Kunst, die die Menschen unsicher macht, die sie nicht glauben
lassen will, dass Leute ohne Bezahlung "sowas machen".
Ein
Geschäftstreibender bedankt sich "im Namen der Oberhausener Bürger",
der Bio-Laden von der Elsässer Straße spendet Kaffee und Tee. Nicht
der einzige Sponsor. Edda Gerusel konnte im Vorfeld nicht nur das städtische
Kulturbüro und das Innenstadtbüro überzeugen, auch die Wirtschaftsbetriebe
Oberhausen, die "5komma7 Agentur für Medien", die alles filmte,
die Stadtsparkasse, die Chemischen Werke Kluthe Contilack, Ziesack Plaza und der
Hellwig Baumarkt unterstützten die ebenso eigenwillige wie aufschlussreiche
Performance. Der Film über den etwas anderen Frühjahrsputz soll demnächst
auf Monitoren an der Sparkassenbaustelle in der City gezeigt werden. Sehenswert
gewiss nicht nur ob neuer Erkenntnisse zur Putztechnik.
Von Michael Schmitz (WAZ) |